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Der Blick durch den Hurrikan

Wirbelstürme sind seit langem gefürchtet, doch bis heute nicht ganz verstanden. Am Helmholtz-Zentrum Geesthacht haben Wissenschaftler eine Methode entwickelt, um Radarbilder von Wirbelstürmen auszuwerten. In einer Art Schnappschuss lassen sich damit die Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen in einem mehrere Hundert Kilometer breiten Hurrikan sehr genau auflösen – Daten, mit denen andere Wissenschaftler herausfinden könnten, was im Innern der Riesenwirbel vor sich geht.

Hurrikan Sandy NASA Aufnahme

Hurrikan Sandy im Oktober 2012 © NASA

Wirbelstürme sind seit langem gefürchtet, doch bis heute nicht ganz verstanden. In der Arbeitsgruppe „Radar-Hydrographie“ des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht haben Wissenschaftler um den Ozeanografen Jochen Horstmann deshalb eine Methode entwickelt, um Radarbilder von Wirbelstürmen auszuwerten. In einer Art Schnappschuss lassen sich damit die Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen in einem mehrere Hundert Kilometer breiten Hurrikan sehr genau auflösen – Daten, mit denen andere Wissenschaftler herausfinden könnten, was im Innern der Riesenwirbel vor sich geht.

Man nennt sie Hurrikan, Taifun oder Zyklon – je nachdem, in welcher Meeresregion sie entstehen und wo sie über das Meer hinwegdonnern. Allen diesen Wirbelstürmen ist ihre ungeheure Kraft gemein. Sie saugen gigantische Mengen Wärme aus dem Ozean und türmen sich mehrere Tausend Meter auf. In ihrem Innern fegt der Sturm mit mehr als 300 Kilometern pro Stunde dahin. Wie zuletzt im Mai der Taifun Noul auf den Philippinen richten diese Wirbelstürme immer wieder große Schäden an, wenn sie auf das Land, auf Siedlungen und auf Städte treffen.

Viele Menschen haben im Fernsehen schon Satellitenbilder dieser großen Wirbel mit dem Auge des Sturms in der Mitte gesehen. Der Anblick ist so vertraut, dass man glauben könnte, Wissenschaftler würden die Wirbelstürme bereits gut kennen. Doch das ist nicht der Fall. Stationäre Wettersatelliten, die Hurrikans im Blick behalten und Fernsehbilder liefern, können nicht in den Sturm hineinschauen. Das aber ist die Voraussetzung dafür, dass man Wirbelstürme künftig besser versteht. Forscher wollen mehr über die Dynamik im Inneren von Hurrikans oder Zyklonen erfahren – nicht zuletzt um sie besser einschätzen zu können. So versuchen Meteorologen seit langem, so genau wie möglich zu messen, wie stark der Wind in den Wirbeln weht und aus welcher Richtung er kommt. Je mehr Messpunkte man hat, je mehr Bereiche des Hurrikans man genauer anschauen kann, umso genauer lässt er sich analysieren und vorhersagen.

Seit vielen Jahren gibt es Messbojen, die die Windrichtung und -stärke messen. Doch die Messbojen liefern nur sehr wenige punktuelle Daten, aus denen man nicht auf die Dynamik des ganzen Wirbelsturms schließen kann. Deshalb fliegen zusätzlich Piloten mit Messflugzeugen durch den Sturm. Ein solcher Flug dauert mehrere Stunden, ist ausgesprochen gefährlich und nicht zuletzt auch kostspielig. Butterfly nennen die Amerikaner einen solchen Rundkurs, weil die Flugroute der Silhouette eines Schmetterlings entspricht. Doch selbst die Daten, die auf einem solchen, langen Flug erhoben werden, können nicht den ganzen Sturm abbilden.

Radarsensoren blicken in den Hurrikan

Aus diesem Grund haben sich Dr. Jochen Horstmann, am HZG Spezialist für Radar-Hydrography, und seine Mitarbeiter schon vor längerer Zeit darauf spezialisiert, Daten von Radarsensoren auszuwerten. Mit diesen Radarsensoren werden Satelliten seit mehreren Jahren ausgestattet. Synthetic Aperture Radar (SAR, Radar mit synthetischer Apertur) nennen Spezialisten diese Radartechnik. Der Vorteil des Radars besteht darin, dass die Radarwellen auch Wasserdampf durchdringen und somit durch die Wolkendecke des Wirbelsturms hindurchschauen können. Jochen Horstmanns Spezialität ist es, mit dem Radar, die Wellen auf dem Ozean zu vermessen – und daraus auf die Stärke und die Richtung des Windes zu schließen. Dabei macht er sich zunutze, dass die vom Satelliten ausgesendete Strahlung von den Wellen zurückgestreut und das Streusignal vom Satelliten empfangen wird. Um die Windrichtung zu analysieren nutzt er auch charakteristische Streifenmuster, die in den Radarbildern zu sehen sind. Ob die Strukturen durch Vorgänge in der obersten Wasserschicht oder in der bodennahen Atmosphäre entstehen, weiß man heute noch nicht. Da die Streifen längs des Windes verlaufen, lässt sich die Windrichtung daran aber sehr gut ablesen.

Schnappschuss vom Hurrikan

Die Arbeit von Jochen Horstmann auf der Titelseite der Mai-Ausgabe des Fachjournals „Transactions on Geoscience and Remote Sensing“.

Die Arbeit von Jochen Horstmann auf der Titelseite der Mai-Ausgabe des Fachjournals „Transactions on Geoscience and Remote Sensing“.

Ein Vorteil der Radarmethode ist auch, dass der Satellit ein sehr großes Gebiet des Ozeans überblickt. Anders als Boje oder Flugzeug kann Horstmann damit die Windverhältnisse des ganzen Hurrikans in einer Art Radarschnappschuss darstellen. Da die Radarsensoren an Bord des Satellits eine hohe Auflösung von etwa 100 Metern haben, liefert diese Methode sehr genaue und zugleich umfassende Wirbelsturmdaten. Diese Daten sind so eindrucksvoll, dass Jochen Horstmann es mit seiner Arbeit jetzt auf die Titelseite des angesehen Fachjournals „Transactions on Geoscience and Remote Sensing“ geschafft hat.

Jochen Horstmanns Rohmaterial sind die Radarbilder, die ihm von den Satellitenbetreibern zur Verfügung gestellt werden. „Es ist sehr aufwendig, daraus die feinen Wellenmuster oder die Streifen herauszurechnen“, sagt er. Zum Einen sind die Bilder verrauscht. Zudem gibt es es Artefakte, beispielsweise störende Streifen, die die HZG-Forscher zunächst aus den Bilddaten herausrechnen müssen. „Dabei müssen wir natürlich sicherstellen, dass wir nicht auch wichtige Bildinformationen löschen.“

Die Grenzen der Windmessung überwinden

Jochen Horstmann interessieren nicht so sehr die großen Brecher, die bei Sturm über das Meer rollen, sondern die feinen rippelartigen Wellen, die beispielsweise auch entstehen, wenn eine Böe über einen Teich streicht. Diese sogenannten Brackwellen werden von den Radarsensoren gut wahrgenommen. Allerdings gab es lange eine Einschränkung. Die Radarrückstreuung verändert sich ab einer hohen Geschwindigkeit von mehr als 20 Metern pro Sekunde nur noch minimal. Sie wird also nicht proportional zur Windgeschwindigkeit größer. Die für viele Jahre gebräuchlichen Radarsensoren, sogenannte Co-Polarization-Sensoren, konnten die Wellensignale bei hohen Windgeschwindigkeiten daher nicht gut wahrnehmen. Seit wenigen Jahren werden Satelliten mit einem neuen Radarsensortyp ausgestattet, die das rückgestreute Radarsignal anders auffangen und hohe Geschwindigkeiten offenbar besser erfassen. Diese Cross-Polarization-Sensoren liefern damit auch zuverlässige Windgeschwindigkeitsdaten jenseits der 20 Meter pro Sekunde. Alles in allem kann Jochen Horstmann dank des Radarblicks auf die Wellen Winddaten mit sehr hoher Genauigkeit generieren. Vergleiche mit den Messungen aus den Hurrikan-Flugzeugen zeigen, dass die Radardatenanalyse bei der Bestimmung der Windrichtung einen durchschnittlichen Fehler von nur 17,6 Grad und bei der Bestimmung der Windgeschwindigkeit von nur 3,8 Meter pro Sekunde hat. Zu bedenken ist dabei, dass auch die mit Flugzeugen bestimmten Werte einen Fehler von etwa 4 Meter pro Sekunde aufweisen. Horstmanns Radaranalyse ist also genauso zuverlässig wie die Messungen der Hurrikan-Flieger.

Radarbild des Typhoons "Malakas" aufgenommen mit dem Radar mit synthetischer Apertur (SAR) des Kanadischen Satellits Radarsat-2 (links).

Radarbild des Typhoons "Malakas" aufgenommen mit dem Radar mit synthetischer Apertur (SAR) des Kanadischen Satellits Radarsat-2 (links). Vergleich des aus dem SAR Bild berechneten Windfelds mit den darüber gelegten Windgeschwindigkeiten (farbkodierte Linie) des Stepped Frequency Microwave Radiometer (rechts).

Die in seiner Arbeitsgruppe entwickelte Software zur Analyse der Radarbilder, stellt Jochen Horstmann heute unter anderem Forschern von der University of Miami zur Verfügung, die regelmäßig Satellitendaten erhalten. „Ein Stück weit wird damit Grundlagenforschung betrieben“, sagt er. „Wir haben mit unserer Arbeit dazu beigetragen, dass man die Windfelder jetzt umfassender und genauer untersuchen kann als zuvor.“

Jochen Horstmann interessieren aber noch ganz andere Aspekte. „Derzeit versuchen wir unter anderem die Herkunft der Längsstreifen in den Radarbildern zu klären oder zu verstehen, wie stark Hurrikans zum Wärmeaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre beitragen.“ Das sei nicht zuletzt dafür wichtig, die Folgen des Klimawandels besser einschätzen zu können.

Text: Tim Schröder, Wissenschaftsjournalist

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Dr. Jochen Horstmann
Dr. Jochen Horstmann Abteilungsleiter Radarhydrographie

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