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| Pressemitteilung

Design hocheffizienter Werkstoffe: Wissenschaftler starten neuen Sonderforschungsbereich

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat an der TU Hamburg die Einrichtung des gemeinsam mit der Universität Hamburg und dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht beantragten Sonderforschungsbereiches (SFB) „Maßgeschneiderte multiskalige Materialsysteme – M3“ genehmigt. Damit wird die Stellung der Metropolregion Hamburg als international sichtbarer Standort für Werkstofftechnik und Materialforschung entscheidend gestärkt. Sprecher des SFB ist Prof. Dr. rer. nat. Gerold Schneider von der TUHH.

Prof. Dr.-Ing. Jörg Weißmüller, Prof. Dr. Manfred Eich, Prof. Dr. Gerold Schneider, Prof. Dr.-Ing. Norbert Huber

Freuen sich über die Bewilligung der DFG: (v.l.n.r.) Prof. Dr.-Ing. Jörg Weißmüller (Leiter Projektbereich B), Prof. Dr. Manfred Eich (Leiter Projektbereich C, stellvertr. Sprecher), Prof. Dr. Gerold Schneider (Leiter Projektbereich A, Sprecher), Prof. Dr.-Ing. Norbert Huber (stellvertr. Sprecher). Foto: TUHH

er SFB hat eine Laufzeit von vier Jahren und wird mit insgesamt 10 Millionen Euro gefördert. Sein besonderes Innovationspotenzial liegt darin, quasi am Reißbrett multiskalig strukturierte, makroskopische Werkstoffe und Bauteile zu entwickeln, die maßgeschneiderte mechanische, elektrische oder photonische Eigenschaften besitzen. „Wenn es gelingt, dieses Konzept umzusetzen, erwarten wir völlig neuartige Materialfunktionen“, sagt Schneider. Der Leiter des Instituts für Keramische Hochleistungswerkstoffe weist auch auf die „besonders kreative Atmosphäre“ des interdisziplinären und institutionsübergreifenden Hamburger Forscherteams aus Materialwissenschaftlern, Chemikern, Physikern und Verfahrenstechniker hin. Und er hebt als „Schlüssel unseres Erfolgs“ die „hervorragende Teamarbeit“ im SFB mit Prof. Dr. rer. nat. Manfred Eich und Prof. Dr.-Ing. Jörg Weissmüller (beide TUHH) sowie Prof. Dr.-Ing. Norbert Huber (Helmholtz-Zentrum Geesthacht) an der Spitze der Projektbereiche hervor.

Gemeinsames Ziel der insgesamt 21 beteiligten Wissenschaftler ist über alle Fächergrenzen hinweg die Entwicklung völlig neuartiger Werkstoffe, die teilweise wiederum selbst neue Eigenschaften hervorbringen: Mit Nanoteilchen verstärkte Polymere, die dadurch elektrisch leitfähig sind und selbst messtechnische Funktionen übernehmen. Mit Polymeren infiltrierte, nanoporöse Metalle, die sobald sie unter elektrischer Spannung stehen, ihre Größe verändern. Photonische Kristalle, die überschüssig erzeugte Wärme auf Solarzellen übertragen und damit Strom erzeugen oder als Strahlungsreflektoren in Turbinenschaufeln Treibstoff reduzieren. Keramiken mit bisher unbekannten Qualitäten.

Vorbild ist den Wissenschaftlern auch die Natur, deren Materialkonzepte sie mit Hilfe klassischer ingenieurwissenschaftlicher Verfahren nachbilden möchten. So sollen im ersten Teil des in drei Projektbereiche gegliederten SFB ähnlich den natürlichen Vorbildern Perlmutt, Zahnschmelz und Knochen völlig neuartige Strukturen für Keramik-Materialsysteme entworfen und hergestellt werden. Ergebnis könnte ein synthetisch hergestellter Werkstoff sein, der hart, fest und steif zugleich ist und damit erstmals diese für viele Produkte sehr wertvollen Eigenschaften miteinander vereint. Den Schlüssel für die lange Zeit geheimnisvolle Stärke des Zahnschmelzes, die Koexistenz harten und weichen Materials, haben Ingenieure der TU Hamburg 2009 schon gefunden.

Die Kunst besteht nun darin, das, was auf der Nanoebene (1Tausendstel eines Haares) bereits gelingt, auf die Mikro- und vor allem die Makroebene (1 Zentimeter) zu übertragen. Vor dieser Herausforderung steht das Hamburger Team, das in den kommenden Jahren die wissenschaftlichen Grundlagen für völlig neuartige Materialien legen und in ihrem ehrgeizigen Ziel seit 2009 von der Stadt Hamburg mit Geldern aus dem Landeswettbewerb zur Förderung exzellenter Grundlagenforschung unterstützt wird.

Grafik mehrphasig-nanostrukturierte oder hochgeordnet periodische Strukturen

Polymere, Keramiken und Metalle werden auf der Nano-, Mikro- oder Makroebene (1., 2. und 3. Längsspalte) zu ein-zwei- oder dreidimensionalen Materialsystemen zusammengefügt. Dabei entstehen quasi-selbstähnliche, mehrphasig-nanostrukturierte oder hochgeordnet periodische Strukturen (1., 2. und 3. Querspalte). [Grafik: TUHH]

Der Clou: Durch die sich meist aus einzelnen Bausteinen unterschiedlicher Längenskalen (multiskalig) zusammensetzenden Werkstoffe eröffnet sich die Möglichkeit, gezielt einzelne dieser Bausteine aus polymeren, keramischen oder metallischen Materialien oder daraus zusammengesetzten auszutauschen und damit die Eigenschaften der Materialsysteme diskontinuierlich zu verändern. Diese Multiskaligkeit eröffnet die Möglichkeit, auf jeder Hierarchieebene, von der atomaren bis zur Makroskala (Nano, Mikro und Makro), die Materialzusammensetzung und Funktionalität zu beeinflussen. Die dadurch gewonnenen zusätzlichen Freiheitsgrade führen zu neuartigen Eigenschaftsprofilen.

Anders gesagt, die Hamburger Wissenschaftler wagen Grenzüberschreitungen: Erstens bringen sie in einem Werkstoff drei in ihren Eigenschaften höchst unterschiedliche Materialklassen zusammen - Keramik, Polymere und Metalle. Das ist neu. Zweitens setzen sie erstmals Nanoteilchen zu immer größeren Bausteinen zusammen und gehen dadurch völlig neue Wege in der Werkstofftechnologie. Durch den nanoskaligen Aufbau entstehen sehr viele Grenzflächen im Inneren der Materialsysteme, hier liegt die Freiheit zur Entwicklung neuartiger Materialeigenschaften.

Im ersten Projektbereich geht es um hierarchisch strukturierte Keramik/Metall-Polymer-Materialsysteme ähnlich den natürlichen Vorbildern Perlmutt, Zahnschmelz und Knochen. Im zweiten Projektbereich werden – vor dem Hintergrund der weltweiten Forschung auf dem Gebiet des Leichtbaus und der Funktionsintegration – Materialsysteme aus harter und weicher Materie hergestellt, (deren Design auf herausragende mechanische und funktionelle Eigenschaften zielt), um höchste elektrische Leitfähigkeit zu erreichen. Im dritten Projektbereich werden neuartige hierarchisch nanostrukturierte Materialsysteme auf der Basis von thermisch stabilen Keramiken und Metallen für die Photonik bei hohen Temperaturen für thermophotovoltaische Systeme untersucht. In allen drei Projektbereichen werden, getrennt oder zusammengesetzt, Polymere, Keramiken und Metalle genutzt, die auf der Nano-, Mikro- oder Makroebene zu ein-, zwei- oder dreidimensionalen Materialsystemen zusammengefügt werden und in ihrer jeweiligen Struktur entweder eine sich selbst ähnliche Geometrie, mehrphasig-nanostrukturiert oder hochgeordnet periodisch sind (siehe Abbildung).

Beteiligung Helmholtz-Zentrum Geesthacht

Drei Institutsleiter des Helmholtz-Zentrums Geesthacht haben den Antrag mit auf den Weg gebracht und werden mit ihren Instituten beteiligt sein: Prof. Dr. Volker Abetz, Institutsleiter des Instituts für Polymerforschung, Prof. Dr.-Ing. Norbert Huber, Institutsleiter des Instituts für Werkstoffforschung Geshäftsbereich Werkstoffmechanik sowie Prof. Dr. Schreyer Institutsleiter Institut für Werkstoffforschung Geschäftsbereich Werkstoffphysik.

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Heidrun Hillen
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